Michael Schidelko, Bad Honnef

Es war zwar der erste Einsatz in diesem Jahr aber schon mein einundzwanzigster in Puma.

Seit nunmehr 15 Jahren fahren meine Frau und ich mit wechselnden Teams regelmäßig in diese Missionsstation in einer der trockensten und ärmsten Regionen dieses armen ostafrikanischen Landes. Mit der Station hat unsere Pfarrgemeinde schon seit fast 40 Jahren eine Partnerschaft, das Krankenhaus hatte ich aber erst im Jahre 2002 für den Einsatz von Interplast Teams entdeckt. Seit 2004 haben wir mit unserer Sektion kontinuierlich am weiteren Ausbau und der technischen Aufwertung des Hauses gearbeitet, so dass man in den beiden Ops operieren kann „fast wie zu Hause“. Man kennt sich aus, weiss wo die Instrumente liegen, kennt jeden Pfleger und jeden Arzt, schliesslich arbeiten wir seit langem zusammen. Das Mitbringen von medizinischem Material ist in den letzten Jahren deutlich erschwert worden, man muss alles genehmigen lassen und am Ende, wenn man es überhaupt behalten darf, noch eine Menge Zoll und Abgaben bezahlen.

Umso größer ist die Freude bei den oft schon lange wartenden Patienten, wenn ihnen Hilfe in ihren Problemen in Aussicht gestellt wird, Hilfe bei Problemen, die sonst keiner im Lande beheben kann, oder wenn doch, dann ist es für die Ärmsten der Armen unerschwinglich.

So wurde uns schon in Deutschland der Fall einer jungen Mutter von 2 kleinen Kindern präsentiert, die einen riesigen, knochenauflösenden Tumor am Knie hatte, der sehr schnell wuchs. Die Amputation drohte. Schon am zweiten Tag konnten wir der Frau durch einen sechsstündigen Eingriff mit Knochenersatzoperationen, Muskeltransfer und Hautverpflanzungen sowie der Montage eines Fixateur externe helfen und hoffentlich das Bein retten.

Gleich am nächsten Tag kam die neunjährige Gertrudi zur Aufnahme. Sie hat ein herzzereissendes Schicksal hinter sich. Da sie offenbar schon als Kleinkind misshandelt wurde, hat sie wohl jahrelang in ihrer Hütte auf dem Boden gehockt aus Angst vor weiterer Pein. Das Ergebnis war, dass sowohl die Knie- als auch die Hüftgelenke maximal kontrakt waren und das Kind sich nur im tiefsten Hockgang bewegen konnte. In mehreren Operationen mussten ihr nacheinander die verkürzten Sehnen verlängert und die Gelenke gelöst werden. Freudestrahlend begegnete sie uns nun – schon aufrecht im Rollator gehend – auf dem Krankenhausflur. Dass sie noch weitere Operationen sowie eine langwierige Schienenbehandlung erwartet, mussten wir ihr und der Mutter schonend beibringen.

Dann kam ein sechsjähriger Junge, der vor 2 Jahren ins Feuer gefallen war. Er hatte die großflächige Verbrennung zwar überlebt, aber die ausgedehnten Narben hatten seinen Arm fest an den Brustkorb fixiert. Auch hier war eine vielstündige Operation mit Hautverschiebungen und -Verpflanzungen erforderlich.

Schließlich sahen wir eine 28 Jährige Verkäuferin wieder, die wir in einem Souvenirgeschäft am Eingang des Tarangire Nationalparks gesehen hatten. Wir hatten ihr schon vor Monaten versprochen ihre skurril verformte Hand wiederherzustellen. Nach einer Verbrennung im Kleinkindalter war ihr die Hand fest am Unterarm angewachsen, so dass sie die Finger überhaupt nicht einsetzen konnte. In einer vierstündigen Operation konnten wir ihr das Handgelenk um fast 180 grad richten und nacheinander die am Handrücken fixierten Finger aus den Narben herauslösen und die entstandenen Hautdefekte transplantieren.

Während der von morgens bis in den Abend andauernden Operationen wurden immer wieder frische Unfälle reingebracht. Schon lange hat es sich in der Provinz Singida herumgesprochen, dass im Missionskrankenhaus Puma fähige Ärzte arbeiten, die mit modernen (und natürlich teuren) Mitteln erfolgreiche rekonstruktive Eingriffe durchführen. Allein das Bereithalten von Platten, Schrauben und Fixateuren in schier unbegrenzter Menge ist landesweit so etwas Besonderes, dass die Patienten zT aus hunderten von Kilometern Entfernung herbeieilen.

Die medizinische Hilfe war diesmal aber nur ein Teil des Interplast-Einsatzes. Schon vor Monaten hatte ein Team der Organisation „Elektriker ohne Grenzen“ eine Solaranlage auf dem Dach des Krankenhauses installiert. Diese war mit Mitteln des BMZ teil-finanziert worden und liefert nun nach ihrer Fertigstellung so viel Strom, dass das Krankenhaus mit all seinen Abteilungen (Stationen, OP-Säle, Röntgen, Steri, Labor und OPD) ständig mit Strom versorgt ist – kostenlos und ohne Abschaltpausen. Die Elektriker waren nunmehr damit beschäftigt, alle Gebäude des Krankenhauses an die Anlage anzuschließen und für die komplizierten Unterverteilungen zu sorgen. Sie arbeiten hier, genauso wie wir Interplastler, ehrenamtlich in ihrem Urlaub, Material und Flüge bekommen sie von uns gestellt, für Kost, Logis und Transport sorgt großzügig der Orden, der uns alle am Ende des Einsatzes großzügig mit Bananenstauden, Mangos, Kaffee, Tee und afrikanischen Stoffen überhäufte.

So verabschieden wir uns nach 14 Tagen intensiver Arbeit und 44 zum Teil sehr großen Operationen und danken Pro-Interplast sehr herzlich für die Übernahme der Flugkosten.

Herzlicher Empfang im Waisenhaus Das Team: Interplastler und „Elektriker ohne Grenzen“

Der „C-Bogen“, unverzichtbar für die Knochenchirurgie Sechsjähriger Junge mit Verbrennungskontraktur

Junge Mutter mit kontrakter Hand nach Verbrennung als Kleinkind