In Europa herrscht Krieg, Russland hat sein Nachbarland Ukraine überfallen. Die Kriege u.a. in Syrien und im Jemen dauern an – nur hören wir z.Zt. praktisch nichts von Ihnen. Weltweit grassiert weiterhin die Corona-Pandemie. Und Afrika?
Die Not der Menschen in Afrika ist unvermindert groß, sich durch die Pandemie und die Krisenherde in der Welt eher vergrößernd. Der Zugang der Menschen in vielen Ländern Afrikas zu geeigneter medizinischer Grundversorgung ist weiterhin extrem abhängig vom Geld: wer keins hat, der hat keinen Zugang zu grundlegendsten medizinischen Leistungen. Hautnah haben wir dies im letzten November in Rwanda verspürt und jetzt wieder in Uganda. Vom 5. bis zum 20. März waren wir von der Sektion Vredens zum 7.Mal im Kamuli-Mission Hospital, Kamuli/Uganda:
Dr.Madeleine Hösel, Anästhesistin
Ursula Schoppen-Beeke, Anästhesiefachschwester
Thorsten Huhn, Techniker
Petra Wansing, OP-Fachschwester
Prof.Dr.Patrick Jaminet, Plastischer Chirurg
Dr.Arnulf Lehmköster, Plastischer Chirurg und Teamleiter
Die Vorbereitungen auf den Einsatz sind im Laufe der Jahre aufwendiger geworden, ugandische Behörden unternehmen vieles, um uns die Einreise ins Land schwer zu machen und im Vorfeld für ihre Genehmigungen viel Geld abzunehmen. Trotz Vorlage aller notwendigen Dokumente – alle Materialien waren im Vorfeld akribisch gelistet, eingereicht und genehmigt worden – „prüfte“ bei unserer Einreise der ugandische Zoll unser professionelles Gepäck zwei Stunden lang um uns dann einreisen zu lassen.
Von da an lief alles wie am Schnürchen: Moses, der bewährte Fahrer der Klinik hatte geduldig ausgeharrt und versorgte uns ersteinmal mit Wasser, „rolled eggs“ und den köstlichen kleinen Bananen (die es bei uns nicht gibt, da sie nicht der EU-Norm entsprechen). Nach vierstündiger Fahrt nahm uns Goretti, „unsere“ Hauswirtschafterin und Köchin für die nächsten zwei Wochen im Gästehaus der Klinik in Empfang. Kurzer Schlaf – und los gings: Madeleine, Thorsten, Ulla und Petra checkten den OP und machten ihn für den nächsten Morgen klar. Dabei waren schon Agnes, die extra ihre von uns ihr finanzierte Fortbildung in Kampala unterbrach, um mit uns in Kamuli zu arbeiten, und Angela, die derzeit leitende OP-Schwester, sowie Helen, Bachelor-nurse Anästhesie, große Hilfen. Unsere Investitionen in Renovierung und Ausstattung des Ops erwiesen sich wieder von großem Vorteil.
Ronald, der neue Administrator der Klinik, war vom ersten Moment an stets präsent: er koordinierte sämtliche Dienste, ob es die Versorgung des Gästehauses mit Internet, Getränkeversorgung, später die Beschaffung der für die Ausreise notwendigen PCR-Tests waren – Ronald hatte alles im Griff!
Patrick – mein Nachfolger als Leiter der Abteilung für Plastische Chirurgie Im Klinikum Westmünsterland /Marienkrankenhaus Borken – und ich begannen mit der Sichtung der Patienten – am Sonntagmorgen um 11:00. Dr. Bonny, mir von den letzten Einsätzen her gut bekannt, jetzt aber sich in Kampala weiterbildend, und Dr.Margret, Sr.Rose – die Seele des KMH – und Sr.Immaculate hatten gute Vorauswahl der Patienten getroffen. Zwar ging die Patientenvorstellung in den nächsten Tagen weiter, aber das Gerüst unserer 9 OP-Tage stand am Abend.
Groß ist in Uganda die Zahl an verbrennungsbedingten Vernarbungen, die die Beweglichkeit der Extremitäten zum Teil erheblich einschränken: Resultat nicht stattgehabter adäquater Erstbehandlung der Verbrennungen. Auch monatelang nicht behandelte, aber operationspflichtige frische Verbrennungswunden wurden uns vorgestellt; viele offene Wunden, die mit Hauttransplantaten zu versorgen waren.
So waren die Auftrennung und Versorgung der resultierenden großen Wunden mit Vollhauttransplantaten, Spalthauttransplantationen , Entfernungen von Tumoren der Körperoberfläche und viele weitere Eingriffe unser tägliches OP-Programm. Mein Ziel, im Ausland nie ohne Assistenz örtlicher Kräfte zu operieren, um die entsprechenden Techniken dort zu vermitteln, konnten wir auch hier einhalten: immer waren Bonny oder Margret „mit am Tisch“, wie es im Chirurgenjargon heißt, und auch Helen assistierte bei jeder Narkose. Madeleine und Patrick, für die es die ersten Interplasteinsätze waren, fanden sich rasch in das für sie neue Umfeld ein.
So konnten wir an 38 Patienten an neun OP-Tagen 54 Operationen vornehmen. Erste Verbandswechsel zeigten größtenteils 100%-iges Einheilen der Hauttransplantate. Es ist für uns immer wieder bewegend zu erleben, wie groß die Freude und Dankbarkeit der Patienten ist. In vielen Fällen sind es aber auch dramatische, individuell lebensverändernde Resultate, die wir mit unseren Operationen erzielen können. Alle Teammitglieder, aber auch alle vom örtlichen Personal, die mit uns arbeiteten, haben ihren Anteil am Gelingen.
Auch deshalb war der gemeinsame Ausflug zu den Itanda-Falls (Nil) am Sonntag ein großartiges Ereignis: ich hatte Ronald gebeten, das gemeinsame Abschlussessen mit dem Klinikpersonal schon am Sonntag beim Ausflug zu den Nilfällen vorzunehmen: es gab köstlichen Tilapia-Fisch aus dem nahen Victoria-See, dazu Musik, Folklore… ein gelungenes Picknick für uns alle.
Und die Walubu-Familie: die Initiative zu unseren Kamuli-missions hat ihren Ursprung in Esther, der Mutter. Sie hatte im Internet über unsere Aktivitäten in Ruanda gelesen und bei mir angefragt. So besuchten wir sie auch diesmal am Samstagnachmittag auf ihrer Farm in Bulogo. Jude, sehr präsenter Sohn der Familie, überraschte uns nachher: jedes Teammitglied pflanzte „seinen“ eigenen Baum als Zeichen der Freundschaft. Wir hoffen, das Heranwachsen der Bäume über die Jahre hinweg verfolgen zu können!
Die von der Vredener Sektion dem KMH finanzierte Photovoltaikanlage läuft auf vollen Touren. Mehrere Hundert € können so im Monat an Energiekosten eingespart werden. Den Abschluss unseres Einsatzes bildete ein Besuch im Murchinson´s Nationalpark. In dem riesigen, insgesamt von nur wenigen Touristen besuchten Nationalpark findet sich noch eine reichhaltige Tierwelt: neben Elefanten, Giraffen, Wasserbüffeln, Löwen, vielen Antilopenarten…. sahen wir auch den seltenen und scheuen Leoparden – dank unsers Führers Richard.
Und Corona? Die Impfquote in der Kamuli-Region liegt bei 60%. Wie alle in der Klinik trugen wir, außer im Gästehaus, stets Mundschutz. Stetige Händedesinfektion ist für uns auf den Einsätzen immer selbstverständlich. Coronakranke sahen wir im Krankenhaus nicht. Warum Corona in Afrika so viel anders verläuft als in Europa? Die Altersstruktur ist eine völlig andere (viel mehr jüngere, viel weniger ältere), das Immunsystem der afrikanischen Bevölkerung ist ganz anders „trainiert“… Die Frage müsste mal akribisch wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Vor Ausreise mussten wir wieder einen aktuellen PCR-Test vorlegen, der dank Ronalds guter Organisation problemlos zu bekommen war.
Wieder ein Einsatz, der bei allen Teilnehmern Spuren hinterlassen wird: die beiden „Neuen“, Madeleine und Patrick, haben sich gut ins Team integriert und wertvolle Arbeit geleistet – wie alle anderen Teammitglieder und unsere örtlichen Partner auch! So unangenehm die Einreise war: Dr.Faustine (Ärztlicher Direktor) und mehr noch Ronald, Chef-Administrator, haben sich alle Mühe gegeben, uns zu unterstützen und den Einsatz zu einem bleibenden Akt der Zusammenarbeit werden zu lassen. Goretti verwöhnte uns wie immer mit gutem Essen. Die Kooperation mit dem heimischen Personal war wieder vorzüglich, die Dankbarkeit unserer Patienten überwältigend, bewegend.
Vreden, den 22.03.2022
Arnulf Lehmköster