Die Explosion von Beirut – eine humanitäre Katastrophe
Der Libanon ist seit Jahren von vielen Krisen erschüttert, seien es die Millionen Flüchtlinge, Palästinenser und Syrer, die Querelen der politischen Elite, der finanzpolitische Zusammenbruch im Oktober 2019 oder auch die fatalen Folgen des Lock-downs wegen der Corona-Pandemie und jetzt noch am 4. August die Explosion im Hangar 12 des Hafens von Beirut, die weite Teile der Stadt binnen Sekunden verwüstete. Die traurige Bilanz: 200 Tote, 5.000 Verwundete und 300.000 Obdachlose sowie 3 zerstörte Krankenhäuser im Umkreis von 2 km.
Auf Initiative des Plastischen Chirurgen Dr. Edouard Manassa aus Düsseldorf erreicht Interplast, den Verein für humanitäre Plastische Chirurgie, ein Hilferuf des betroffenen Hopital Libanias Geitaoui, wo sein Cousin, der Herzchirurg Dr. Ziad Mansour, dringend um eine Unterstützung aus Deutschland bittet. Und so reisen Dres. André und Eva Borsche aus Bad Kreuznach kurzentschlossen nach Beirut, um sich vor Ort zu informieren, welche Art von Hilfeleistung Interplast bieten könnte.
In dem christlichen Hospital werden sie herzlich aufgenommen und erleben das volle Ausmaß der Zerstörung: Sämtliche Fenster sind herausgebrochen, die Deckenverkleidungen abgerissen, die Elektroinstallationen zerfetzt, die Fahrstühle zerstört und die Stationen verwüstet. Lediglich die Verbrennungsintensivstation im Keller hat keinen Schaden erlitten. In den bewegenden Gesprächen mit der Geschäftsführung wird klar, dass wir am ehesten mit materieller Hilfe von dringend benötigten medizinischen Geräten Unterstützung leisten können.
Das Treffen mit den Plastischen Chirurgen vor Ort nutzen die beiden deutschen Ärzte zu einem Erfahrungsaustausch über die Versorgung von Verbrennungsopfer und operationstechnische Details bei Gesichtsrekonstruktionen. Dabei berichtet André Borsche in zwei Vorträgen von den jahrelangen Erfahrungen bei Interplast und bietet seine Zusammenarbeit an.
Um sich ein Bild auch von den humanitären Folgen der Katastrophe zu machen, sprechen die Deutschen mit vielen Ärzten, die die Erstversorgung der Verletzten direkt nach der Explosion in den Gängen des Hospitals, auf dem Parkplatz oder auf der Straße durchgeführt hatten. Sie hören erschütternde Berichte des Neurochirurgen, der ohne Narkose subdurale Hämatome versorgen musste, wie die Evakuierung des vollbelegten Krankenhauses über Hintertreppen erfolgte und was für psychischen Belastungen Patienten, Pflegepersonal und Ärzten ausgesetzt waren. Bei allem Grauen ist aber immer wieder zu hören, was für eine großartige Solidarität in der Bevölkerung einsetzte: Unzählige Menschen aus allen Teilen der Stadt strömten zu den zerstörten Hospitälern, um sich an der Soforthilfe zu beteiligen.
Aber auch längerfristig wird weiterhin solidarische Hilfe geleistet. Während die Bevölkerung wohl keinerlei Unterstützung von der Politik erfährt, erleben die deutschen Ärzte hautnah wie von ehrenamtlichen Helfern 10.000 Essenportionen ausgeteilt und obdachlos gewordene Menschen mit Material zum Leben von der Matratze bis zu Windeln versorgt werden. Berge gespendeter Wasserflaschen sollen den Menschen helfen, bei der momentanen Hitze von 44 Grad zu überleben.
Beim Treffen mit Dr. Mouhieddine Jalloul von der Libanesischen Volkshilfe erleben Dres. Borsche das aufrichtige Interesse an einer längerfristigen humanitären Zusammenarbeit. Hierbei würde sich sowohl die plastische Versorgung von schwer entstellten Patienten im Diakonie Krankenhaus in Bad Kreuznach anbieten, als auch ein Interplast-Einsatz in einem Volkshilfe-Hospital im Süden des Libanon.
Der Abschied der deutschen Ärzte ist geprägt von der Bewunderung der Solidarität der Libanesen, die ihnen trotz allen Leides Kraft zur Hoffnung gibt, nach dem Motto: „Trotz aller Krisen werden wir den Wiederaufbau schaffen!“ und die Freude wäre groß, wenn wir ihnen dabei etwas helfen können.
André & Eva Borsche
Bad Kreuznach