Unterstützt von der Sektion Eschweiler/Korschenbroich
Das Team:
Dr. Ute Terheggen – Unfallchirurgin/Orthopädin; Marina Kurth – OP-Schwester; Hans-Jürgen Arndt – Teamleiter, Unfallchirurg/Orthopäde; Dr. Reinhold Stricker – Anaesthesist; Anja Schäfer – OP-Schwester; Ivonne Reschke – OP-Schwester; Violet De Souza – Anaesthesieschwester; Dr. Maya Forkel – plastische Chirurgin; Lumnije Tahiri –Anaesthesieschwester (von li. nach re.)
Im April 2016 war ein 7-köpfiges Interplast-Team nach Ende der Ebola-Epidemie nach
Kenema gereist, um das 2012 und 2014 begonnene Projekt der dauerhaften Unterstützung des dortigen Regierungskrankenhauses fortzusetzen. Der damalige erfolgreiche Einsatz sollte jetzt durch ein neues, größeres Team fortgesetzt werden. Unsere Rückkehr war den Patienten und Mitarbeitern gerne zugesagt worden. Die Arbeit dort war uns ans Herz gewachsen.
Am 10.03.2017 traf sich das Team in Brüssel. Die aus Ghana anreisende Anaesthesieschwester Violet de Souza stieß in Freetown zu uns. Leider mußte ein Kollege, der die Lippen-Gaumen-Spalten operieren sollte, krankheitsbedingt 2 Tage vor dem Einsatz absagen. Nach 6 stündigem Flug von Brüssel nach Freetown, wurden wir am Lungi Airport von dem Medical Superintendent des Krankenhauses, Dr. Masuba herzlich begrüßt. Das Gepäck, welches unseren gesamten OP-Bedarf für die 2 ½ Wochen enthielt, wurde auf 2 Jeeps verladen und nach 5 stündiger Fahrt über den Highway nach Osten trafen wir gegen 1 Uhr morgens an unserer vorläufigen Unterkunft, dem City Council Guesthouse ein und bezogen 8 Zimmer. 4 Teilnehmer des Teams waren beim letzten Einsatz dabei gewesen und dehalb mit den bescheidenen Verhältnissen im Guesthouse vertraut.
Der Samstag begann mit dem Transport des Gepäcks zum Krankenhaus und einer Führung durch Dr. Masuba durch das Krankenhaus, welches im letzten Jahr eine deutlich positive Entwicklung genommen hatte Das Krankenhaus versorgt mit ca. 350 Betten die inzwischen knapp 200 000 Einwohner große Stadt Kenema und die umgebende Region mit einer Reihe von Dörfern. Neu waren ein 50 Betten umfassendes Lhassa – Isolier –Haus (in Kenema tritt gehäuft Lhassa-Fieber auf), ein neues Ebola Isolier-Haus, eine Sondermüllverbrennung für Infektionsabfälle, eine neue große Pädiatrie und 2 große neue, klimatisierte Lagerhäuser sowie eine Triage-Abteilung am Krankenhauseingang.
Für uns wurden neben zwei OP-Sälen, in den wir parallel operieren konnten, eine Umkleide, eine Toilette, ein Raum für den Lunch und ein Raum in dem OPD für das Screening der Patienten sowie ein alter Trommel-Sterilisator und ein Generator bereit gestellt. Personell wurden wir neben Dr. Masuba durch einen CHO und einen Medizinstudenten als Dolmetscher, 1 OP-Pfleger und 1 Reinigungskraft nach besten Kräften unterstützt. Betten für die von uns operierten Patienten waren auf 3 chirurgischen Stationen vorbereitet worden.
Insgesamt war die Unterstützung unseres Teams bemerkenswert. Gegenüber dem letzten Einsatz waren die Abläufe wesentlich eingespielter. Unser Empfang im Krankenhaus war sehr herzlich. Aus dem 180 km entfernten Serabu, dem Hospital der German Doctors kamen 3 CHO’s zur Hospitation für die Anaesthesie und die plastische Chirurgie.
Wir begannen direkt mit dem Patienten-Screening und haben in 3 Tagen 193 Patienten
untersucht, von denen wir 52 zur Operationen einplanten. Das Krankenhaus hatte unseren Einsatz über Radio bekanntgemacht und selbst schon ein Praescreening vorgenommen, so daß wir im Wesentlichen oerationsbedürftige Patienten gesehen haben. Leider war mit den 52 Patienten der Operationsplan für den Zeitraum fast voll. Deshalb nahmen wir nur noch Notfälle an. Alle anderen Patienten mußten wir leider auf den nächsten Einsatz vertrösten. Dies war für manche Patienten, die teilweise über 300 km weit zur Operation angereist waren, schwer verständlich und bitter.
Insgesamt wurden bei täglich 8 – 9 Operationen 56 Patienten operiert und 92 Operationen durchgeführt. Das Operatiosspektrum umfasste neben den häufigen großflächigen chronischen Wunden, Verbrennungskontrakturen, Syndaktylie, Weichteiltumore, Lidkorrektur im Bereich der plastischen Chirurgie sehr viele Pseudarthrosen der großen Röhrenknochen im traumatologisch-orthopädischen Bereich, die mit Debridement, Spongiosaplastiken und Plattenosteosynthesen behandelt wurden. Frische, offene Frakturen wurden mit Fixateur stabilisiert und am letzten Tag mußte eine tiefgehende, bis auf die Halswirbelsäule reichende Machetenhiebverletzung bei einem 15jährigen Jugendlichen versorgt werden.
Oberarm-Pseudarthrose links Versorgung mit Spongiosaplastik und Platte
Verbrennungskontraktur bei einem 6 jährigen Jungen
I. gradig offene, mehrfragmentäre proximale Unterschenkelfraktur mit Weichteilschaden
Nach einer Woche mußten wir das Guesthouse wegen fehlender Stromversorgung aufgrund eines defekten Generators verlassen und in ein benachbartes Hotel umziehen. Hier wurde uns jedoch ein sehr günstiger Preis angeboten, so daß das Budget nicht über die Maßen belastet wurde. Nach 1 Woche mussten die Ärzte leider nochmals nach Freetown zum Medical Board reisen, weil eine persönliche Vorstellung zur Überprüfung der Arbeitsvisa gewünscht wurde. Damit verloren wir einen OP-Tag, haben aber nun ein permanentes Arbeitsvisum. Am freien Sonntag erkundeten wir Kenema und die nähere Umgebung und waren fasziniert von der Buntheit, dem quirligen Leben und der Herzlichkeit der Menschen aber auch betroffen von der überall vorhandenen Armut.
Aufgrund der hohen Temperaturen bis 38 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit war der Einsatz für alle Teammitglieder anstrengend und fordernd. Die Klimaanlage im OP arbeitete nur zeitweise. Regelmäßiges ausreichendes Trinken war unbedingt nötig.
Die Zusammenarbeit des Teams im OP war sehr gut und harmonisch. Da die vorhandenen OP-Lampen nicht einsatzbereit waren, waren Stirnlampen erforderlich.
Am letzten OP-Tag verabschiedeten wir uns mit Bedauern von den Patienten und den Mitarbeitern des Krankenhauses. Bei einem Abschiedsessen in einem libanesischen Restaurant erhielten wir noch viele Informationen über das Leben in Sierra Leone durch unseren dolmetschenden CHO Emmanuel Lordbrabams, der auch die Nachbetreuung unserer operierten Patienten übernahm und uns per mail regelmäßig unterrichtet.
Mit 2 Jeeps ging es am Samstagmorgen zurück nach Freetown, wo wir noch 1 Tag im Flughafenhotel zum Ausspannen und zur Nachbesprechung blieben.
Für alle Teammitglieder war die Arbeit in Sierra Leone, einem der ärmsten Länder der Erde, welches durch den Bürgerkrieg in den Neunzigern und die Ebolaepidemie vor 2 Jahren in der Entwicklung stark zurückgeworfen wurde, eine sehr befriedigende Erfahrung und wir haben gerne zugesagt noch in diesem Jahr mit einem anderen Team erneut nach Kenema zu reisen.
Der Bedarf ist riesig und bietet Raum für Strumachirurgen, Lippen-Gaumen-Spalten Operateure, Klumpfußoperateure, plastische Chirurgen, Unfallchirurgen und Orthopäden, da in Sierra Leone ein großer Ärztemangel (300 Ärzte auf 7 Millionen Einwohner) herrscht und spezialisierte Operationen nur in der Hauptstadt Freetown angeboten werden.
Hans-Jürgen Arndt