
Einsatzbericht Haridwar, Nordindien
14. OP-Camp in Haridwar – erstes Camp im Ramakrishna Mission Hospital 08.11 – 21.11.2025
Die Vorbereitung des diesjährigen Haridwar-Einsatzes blieb bis zuletzt herausfordernd. Die ohnehin komplexen Visaformalitäten hatten sich nochmals deutlich verschärft: Trotz frühzeitiger Antragstellung, vollständiger Unterlagen und verlässlicher Unterstützung durch unsere indischen Kollegen und die Rotarier in Haridwar verlief die Kommunikation mit der zuständigen Botschaft zunehmend intransparent und unberechenbar. In der Folge erhielt unsere Kollegin Petronella Monticelli-Meyer kein Visum und konnte nicht mitreisen – ein schmerzhafter Verlust für das Team und die Patienten vor Ort.
Zusätzlich stand das vertraute Government Mela Hospital aufgrund kurzfristig angesetzter Bauarbeiten erstmals seit vielen Jahren nicht zur Verfügung. Dank der großartigen Unterstützung unserer Partner vor Ort – allen voran des Rotary Club of Ranipur – konnte jedoch rasch eine überzeugende Alternative gefunden werden: Das Ramakrishna Mission Hospital in Haridwar nahm unser OP-Camp auf. Die Verlegung in ein Haus mit laufendem Krankenhausbetrieb bedeutete zwar zusätzlichen organisatorischen Aufwand, eröffnete aber zugleich die Chance, einen weiteren langfristigen Partner in Haridwar zu gewinnen. Die Integration in die Abläufe des Ramakrishna Mission Hospital gelang schnell: Verwaltung, Ärzte und Pflegepersonal begegneten uns von Beginn an ausgesprochen offen und kooperativ.
Der Einsatz fand vom 8. bis 21. November 2025 statt und stand – wie in den Vorjahren – unter der Leitung von Gaby Fromberg (Plastische Chirurgie / Handchirurgie). Das Team setzte sich im Kern aus dem bewährten „Haridwar-Stammteam“ der vergangenen Jahre zusammen: Wolfgang Detterbeck, Andrej Moskvin, Felix Detterbeck, Sabine Kahabka, Ana Maria Lázaro Martin, Andrea Orth und Pia Englert. Gleichzeitig wurde das Team gezielt ergänzt und verjüngt: Neu dabei waren in der plastischen Chirurgie Francesca Dingler, Manas Nigam und Lukas Kargl sowie Eduard Kehrberger für die Anästhesie.
Nach der Ankunft standen am ersten Einsatztag die Einrichtung der Operationsbereiche, die Anpassung an die hausinternen Abläufe und das Zusammenspiel mit den Kollegen vor Ort im Vordergrund. Zeitgleich erfolgte das Screening: Insgesamt wurden 210 Patienten untersucht und beraten, 69 Patienten konnten in den folgenden Tagen operativ versorgt werden, davon einige mehrfach. Das operative Spektrum entsprach im Wesentlichen den bekannten Schwerpunkten der vergangenen Jahre: Korrekturen von Narbenkontrakturen nach Verbrennungen, Versorgung angeborener Fehlbildungen, funktionell relevante Fehlstellungen nach Unfällen sowie komplexe Weichteildefekte. Bei der Wahl der Operationsverfahren war durchgehend entscheidend, dass die Nachsorge unter den lokalen Bedingungen realistisch gewährleistet werden kann.
Besonders wertvoll war der enge interdisziplinäre Austausch mit den Kollegen des Ramakrishna Mission Hospital. Unter der Leitung des Swami (geistliches Oberhaupt der Mission und Internist) zeigte sich das gesamte Team vor Ort außerordentlich zugewandt und pragmatisch. Uns wurden zwei OP-Säle, ein Verbandsraum, zusätzliche Lagerräume sowie ein Pausenraum dauerhaft zur Verfügung gestellt; die Patienten waren gebündelt auf einer weiblichen und einer männlichen Station untergebracht, was die Visiten deutlich effizienter gestaltete.
Im Unterschied zum Government Mela Hospital, das während der Camps weitgehend exklusiv für unsere Einsätze genutzt wurde, handelt es sich beim Ramakrishna Mission Hospital um ein Krankenhaus im laufenden Betrieb. Umso bemerkenswerter war die Bereitschaft, unsere Arbeit in die bestehenden Strukturen zu integrieren. Besonders in den letzten Tagen nahmen die lokalen Kollegen regelmäßig an den Verbandswechseln teil, um die Nachsorge in den folgenden Wochen eigenständig fortführen zu können. Eine zentrale Rolle spielte dabei -wie bereits in den Vorjahren- Dr. Singh, der zusammen mit Dr. Shradha Misra die kontinuierliche Nachbehandlung der Patienten vor Ort sicherstellte.
Die medizinische und soziale Situation vieler Patienten machte erneut deutlich, wie notwendig der Einsatz ist: Trotz hoher fachlicher Qualität in vielen indischen Kliniken führen die enorme Zahl hilfsbedürftiger Patienten und die begrenzten finanziellen Möglichkeiten vieler Familien dazu, dass rekonstruktive Eingriffe häufig unerreichbar bleiben. Für zahlreiche Patienten wäre ohne externe Unterstützung weder eine funktionelle Verbesserung noch eine gesicherte Teilhabe am Alltags- und Berufsleben denkbar.
Ein zentraler Pfeiler des Erfolgs bleibt der Rotary Club of Ranipur. Gerade vor dem Hintergrund der zunehmend schwierigen und teilweise schwer nachvollziehbaren Visa-Praxis der zuständigen Botschaft ist es uns wichtig, klar zu unterscheiden: Die Hindernisse entstehen im Vorfeld des Einsatzes durch restriktive und intransparente Entscheidungen bei der Visavergabe – nicht durch mangelnde Unterstützung vor Ort. Der Rotary Club of Ranipur setzt im Gegenteil alles daran, den Einsatz trotz dieser externen Hürden möglich zu machen.
Die Rotarier organisieren nicht nur die Patienteninformation, die Voranmeldung und die Logistik vor Ort, sondern begleiten das Team in allen Lebenslagen: bei Behördengängen, in Gesprächen mit der Krankenhausleitung, bei unvorhergesehenen Problemen und auch in den kleinen Momenten des Alltags, die einen Einsatz menschlich tragen. Sie sind längst nicht mehr nur formale Unterstützer, sondern zu Freunden geworden. Die über Jahre gewachsenen persönlichen Beziehungen, das Vertrauen und das gemeinsame Verständnis für die Bedürfnisse der Patienten sind ein wesentlicher Grund dafür, dass der Einsatz auch unter deutlich erschwerten Rahmenbedingungen reibungslos gelingen konnte.
Trotz aller Erschwernisse kann der 14. Haridwar-Einsatz als voller Erfolg gewertet werden: 210 Patienten wurden gesichtet, 69 operiert, 38 für künftige Eingriffe vorgemerkt, und es konnten 204 unterschiedliche operative Eingriffe durchgeführt werden. Gleichzeitig wurde mit dem Ramakrishna Mission Hospital ein engagierter, verlässlicher Partner gewonnen, der die humanitäre Grundidee des Einsatzes mitträgt.
Unser herzlicher Dank gilt dem gesamten Team, den Kollegen und Mitarbeitern des Ramakrishna Mission Hospital, dem Rotary Club of Ranipur und allen Unterstützern und Spendern von Interplast e.V. Wie bei allen vorherigen OP-Camps in Haridwar, wurden die Einsatzkosten auf deutscher Seite von EFI e.V. übernommen. Vielen Dank an EFI e.V. und allen weiteren Sach- und Geld- Spendern und Spenderinnen. Ein besonderer Dank gilt zudem erneut Hajo Schneck für seine Unterstützung in allen Belangen. Sie alle tragen dazu bei, dass schwer beeinträchtigte Patienten in Haridwar und Umgebung eine Chance auf funktionelle Verbesserung und mehr Lebensqualität erhalten – und dass unsere Arbeit in Haridwar auch nach 14 OP-Camps an einem Ort fortgesetzt werden kann, an dem sie unverändert dringend gebraucht wird.
Einsatzteam
Gaby Fromberg (FÄ Plastische Chirurgie/Teamleitung), Francesca Dingler (Plastische Chirurgie), Manas Nigam/ USA (FA Plastische Chirurgie), Lukas Kargl (FA Plastische Chirurgie), Wolfgang Detterbeck (FA Anästhesie/Leitung Anästhesie), Eduard Kehrberger (FA Anästhesie), Andrej Moskvin (FA Anästhesie), Sabine Kahabka (Anästhesie Pflege), Felix Detterbeck (Anästhesie Pflege), Ana Lazaro Martin (OP Pflege/Leitung OP Pflege), Andrea Orth (OP Pflege), Pia Englert (OP Pflege)