Allgemeinchirurgischer Einsatz, Mua Mission Hospital – Malawi

07.10. – 20.10.2024 | Sektion Bad Kreuznach
Mua in Malawi liegt etwa in Höhe der Hauptstadt Lilongwe im Südosten hin zum langgestreckten Malawisee, der mit 580 km Länge die Grenze zu Mosambik im Süden und Tansania im Norden bildet.
Die Verbindung zum Einsatzort kam über Dr. Gie Vandehult zustande, die nach einem Pilotprojekt im Juli 2023 nun schon den dritten plastisch-chirurgischen Einsatz mit ihrem Team unmittelbar vor uns, mit kurzer zeitlicher Überschneidung leitete.
Treibende Kraft hinter allem ist Enke Cäcilie Jansson, die innerhalb nur weniger Jahre in der sehr armen Region Dezda, insbesondere in Mua, als Organisationstalent Unglaubliches geschaffen hat. Gerade auch in der Zusammenarbeit mit vielen anderen Einrichtungen und Stiftungen hat sie mit unermüdlichem Einsatz, Beharrlichkeit und großem Engagement ihre Hauptziele Bildung und Medizinische Versorgung in Malawi vorangetrieben, wofür sie inzwischen mit einer Hamburger Freundin auch eine Stiftung gegründet hat (www.mcstiftung.de).
Im Mua Mission Hospital leitet der vom Bischof eingesetzte Father Isaac als Administrator das Krankenhaus, allerdings verwaltet er einen überwiegenden Leerstand, es fehlt an allem, Ausstattung, Medizinprodukte, vor allem aber Ärzte – und wie überall das Geld. Aus chirurgischer Sicht erfolgen bei vorhandenen 2 großen OP-Sälen, lediglich in einem Saal häufig Kaiserschnitte unter einfachsten Bedingungen durch Medical Officer, speziell ausgebildetem Pflegepersonal. Immerhin gibt es Sauerstoff, ein Narkosegerät, einen manuell verstellbaren soliden OP-Tisch mit nachträglich eingebauter OP-Lampe und einen Autoklaven, den wir vorher für unsere geplanten tieferen Eingriffe über die Interplast-Stiftung vor Ort hatten reparieren und validieren lassen können. Eine Photovoltaik-Anlage, der ganze Stolz des Haustechnikers, liefert tagsüber verlässlich Strom, zu den anderen Zeiten sprang bis auf eine Ausnahme ein Dieselgenerator an. Leistungsstarke Stirnlampen sind also sehr empfehlenswert! Es gibt jeweils eine meist leerstehende Station für Frauen und Männer, wo sich auch die die Patienten versorgenden Angehörigen aufhalten und unter einfachsten Bedingungen schlafen können. Mehr Einrichtungsgegenstände sind nicht vorhanden, auch nicht in der vorhandenen Kinderstation. Vor kurzem ist mit Unterstützung von Cäcilies Stiftung die Renovierung der „Hope Clinic“ (Abteilung für HIV/TBC/HPV screen & treat) auf dem Gelände des MMH abgeschlossen worden.
Zum Ende der Trockenzeit im Oktober ist der Wassermangel bei in der letzten Saison ausgefallener Regenzeit überall augenscheinlich: staubige rotbraune Erde auf den holprigen Wegen, Frauen und Kinder Wasserkanister auf dem Kopf balancierend und scheinbar mühelos weite Strecken tragend. Sogar zahlreiche Baobab-Bäume haben schon frühzeitig vielerorts ihre Blätter fallen lassen. Aus den Leitungen in der Klinik kommt, wenn überhaupt, nur ein Rinnsal mit braunem bis rötlichem Wasser. Die ankommenden Patienten hatten offensichtlich bei teilweise arg verschlissener und zerrissener Kleidung schon lange kein Wasser mehr zum Waschen.
Nach Vorankündigung unseres Kommens durch Father Isaac konnten wir am ersten Tag an die 120 Patienten sichten und davon – engagiert und hoffnungsvoll vorausblickend – 58 in unsere OP-Pläne eintragen, allerdings hatten wir bei sonst problemloser Anreise nach Lilongwe dort bei der Gepäckausgabe durch Kenya Airways erfahren, dass alle unser Koffer in Amsterdam geblieben waren. Vorsorglich hatten wir Ende August schon 7 Wochen vor dem Einsatz einige Kartons mit reichlich Material per Luftfracht über die Cäcilie Stiftung mitschicken dürfen. Doch auch die Luftfracht war bis zu unserer Ankunft noch nicht in Malawi eingetroffen!
Es fehlte uns zunächst an allem, immerhin kamen bei selbst organisiertem Transport nach 2 Tagen, am Nachmittag 5 Koffer aus Lilongwe im MMH an, so dass wir mit einer ersten Spätschicht bis 22:00 Uhr starten konnten. Die für den OP-Tag vorgesehenen Patienten hatten geduldig den ganzen Tag von früh morgens bis abends gewartet, man stelle sich das mal in Deutschland vor! So waren die ersten Tage bestimmt durch noch größere Sparsamkeit an allem Erforderlichem was im OP benötigt wird, Nahtmaterial, Desinfektionsmittel, Abdeckungen usw. eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Nach 3 bzw. 5 Tagen erhielten wir nach nervenaufreibender Zeit auch die restlichen Koffer, sogar die Luftfracht kam 8 Wochen nach Aufgabe in Hamburg nach Ablauf unserer halben Einsatzzeit im MMH an.
Bei intensiven Operationstagen konnten wir insgesamt 50 Patienten mit 53 Eingriffen versorgen, leider mussten wir angesichts der Umstände auch einigen primär zur OP eingeplanten Patienten am Ende schweren Herzens absagen, aber auch vielen anderen, die erst im Laufe unseres Einsatzes in das Mua Mission Hospital kamen. 36 Patienten wurden in Vollnarkose operiert, 14 in Lokalanästhesie. In der Altersverteilung fanden sich 15 Kinder bis zum Alter von 13 Jahren, die Jüngsten waren 2, 2,5 sowie gut 3 Jahre alt. Die häufigsten Diagnosen waren zum einen Leistenbrüche, kombiniert auch mit Hodenhochstand bei den Jungen, bei den erwachsenen Männern oft ausgedehnt Wasserbrüche bei den Erwachsenen. Daneben sahen wir zahlreiche, teilweise recht große Weichteilgeschwulste, von angeborenen Dermoidcysten über Fettgewebsgeschwulste hin zu großen Tumoren der Speicheldrüsen, von der Anamnese und dem makroskopischen Aspekt gutartig imponierend, ohne Histologie aber nicht immer eindeutig zu bewerten. Bei einer Frau erfolgte individuell bei klinisch vorliegendem Mammacarcinom mit schon großem Hautgeschwür mit derbem Lymphknotenvergrößerungen bis in die Achselhöhle palliativ eine vollständige Entfernung des Tumors. Die große Wunde heilte primär ohne Probleme, die Frau war sehr glücklich, weil sie nun keine Geruchsbelästigung mehr hatte – Verbandsmaterial für das Geschwür war vorher sowieso nicht vorhanden. An Komplikationen hatten wir bis zur Abreise nur 2 kleine, partielle Wundranddehiszenzen die rasch abheilten.
All das war nur möglich durch die Mitarbeiter des Mua Mission Hospital: am Screeningtag beim Dolmetschen, Einbestellen der Patienten, wiederholtem Verschieben des OP-Termins, Hilfe und Organisation beim OP-Ablauf, Waschen und Sterilisation der zur Nachhaltigkeit mitgebrachten OP-Wäsche, u.a. auch 6 OP-Baumwollkittel, die wir bei großem Mangel dort gelassen haben. Weiterhin beim Verpacken und der Sterilisation unserer mitgebrachten, immer selbst aufbereiteten 8 Instrumentensiebe – sehr zur Freude in mitgebrachtem Steri-Papier mit Indikatorstreifen – bisher waren dafür nur kleine, immer wieder verwendete Stofftücher, die bereits komplett abgenutzt waren, vorhanden.
Auch als Assistenz bei den Narkosen und am OP-Tisch halfen die Clinical und Medical Officer im Verlauf zunehmend mit und freuten sich über die Lehrinhalte, auch bei der Betreuung der Patienten im „Aufwachraum“ und auf den Stationen waren sie unverzichtbar. Optimal geregelt ist die Nachbetreuung der Patienten in Mua und Umgebung durch Geoffrey, einem sehr engagierten Mitarbeiter, der sich nicht nur um die Wäsche und den Steri kümmert, sondern die Patienten nach ihrer OP auch zu Hause in ihren Dörfern oder vereinzelt stehenden Hütten aufsucht und betreut, bis die OP-Folgen abgeklungen sind, da sie selbst nur zu Fuß mobil sind, selten Fahrräder besitzen. Wir haben ihn dafür reichlich mit Materialien und Medikamenten versorgt. Aktuell zunehmend eintreffende Fotos von dankbaren Patienten ohne weitere Komplikationen machen uns glücklich und unterstützen die Gedanken, das nächste Jahr erneut mit einem Team nach Mua zu reisen, wo wir nach einhelliger Aussage schon jetzt wieder sehnlichst erwartet werden.
Unser Dank gilt vor allem Interplast-Germany, speziell der Sektion Bad Kreuznach mit Andre Borsche und Camilla Völpel, die immer offen für alle unsere Fragen waren, uns überall unterstützten und diesen Einsatz mit der Finanzierungszusage erst möglich machten, weiterhin dem HELIOS Agnes Karll Krankenhaus in Bad Schwartau mit den großzügigen Materialspenden für Anästhesie und Chirurgie, besonders auch den einzelnen privaten Spendern im Freundeskreis und unter unseren in Bad Schwartau behandelten Patienten sowie allen in Klinik, Praxis und privat mithelfenden Menschen. Besonders bedanken möchten wir uns bei unseren Familien, die einen großen Teil unserer gemeinsamen Freizeit für unsere Einsätze spenden und uns stets wohlwollend unterstützen.
Unser Team:
Prof. Dr. Henrik Sundemann, emeritierter leitender Anästhesist an der Karolinska Universität Göteborg/ Schweden, Dr. Karim Tarhbalouti, Assistenzarzt in der Kinderchirurgie am UKE Hamburg , Tabea Jäckel, OP-Schwester und Anja Petersen, Anästhesieschwester vom Belegkrankenhaus HAKK Bad Schwartau Cäcilie Jansson, Malawi-engagierte Mitorganisatorin aus Techau bei Lübeck, Hubert Sax, Chirurg und Teamleiter aus Eutin.
Hubert Sax
Eutin, 18. November 2024