Einsatzbericht Interplast-Einsatz in Leo, im Süden von Burkina Faso vom 9. bis 17. März 2024
5. Einsatz vor Ort, erster gemischt Plastisch-chirurgischer und Orthopädischer Einsatz.
Hintergrund: Das Centre Medical Sedogo in Leo wurde durch die Freiburger NGO „Operieren in Afrika e.V.“ 2014 gegründet und in regelmäßigen Einsätzen mit Viszeral- und Strumachirurgie, Urologie, Gynäkologie und Kinderchirurgie versorgt. Seit 2016 kam über Interplast-Germany die plastisch-rekonstruktive Chirurgie hinzu.
Über unsere Reise im März: Als ich am letzten Abend des Einsatzes die beiden Interplast- und Einsatzneulinge fragte, was sie denn insgesamt am meisten beeindruckt habe, hatte ich mit Antworten bezüglich der Krankenhausausstattung und/oder -Struktur gerechnet. Oder bezüglich der seltenen Krankheitsbilder, die man zu sehen bekommt. Und obwohl ich es genauso sehe, hat mich die prompte Antwort von beiden überrascht: „die Menschen“. Das stimmt! Nicht nur die überaus herzliche Art und Weise, wie wir nach dreijähriger Pause wie lang vermisste Familienmitglieder begrüßt wurden, sondern genauso die Tatsache, dass das örtliche Team auch während der langjährigen Corona-und Einsatz-Pause vollständig erhalten geblieben ist, spricht für die Teamfähigkeit und das außergewöhnliche Engagement der Menschen vor Ort.
Wie es zum aktuellen Kombi-Einsatz kam: Bereits seit 2018 wurden wir vom Klinikleiter und Einsatzkoordinator Omar mehrfach gefragt, ob wir denn nicht als weitere Disziplin (neben Augenheilkunde, MKG- Chirurgie und Neuro-Chirurgie, die wir bereits mitgebracht hatten) auch einmal Orthopäden beziehungsweise Unfallchirurgen einführen könnten, da der Bedarf aufgrund von unbehandelten Hüftdyplasien, unversorgten Unfällen und Hüftkopfnekrosen bei Sichelzellanämie ein riesiger sei. Über fünf Jahre hatten wir dies in Anbetracht der suboptimalen hygienischen Bedingungen, des großen, logistischen und Planungs-Aufwands und der immens höheren Kosten verneint. Doch zum einen wegen eines 2023 zusätzlich eingerichteten OP Saals, wegen der vielen Bedürftigen, die uns immer wieder begegnet sind, und nicht zuletzt wegen des privaten Kontakts zu Dr. Ingo Tusk, der bereits Erfahrung mit Hüft-Endoprothesen in Afrika hatte, haben wir uns nun doch erstmals auf einen Endoprothesen- Einsatz eingelassen.
Vorbereitung ist das halbe Leben: Mit deutlicher innerer Anspannung ging bereits die Hinreise los, da wir nicht nur Kiloweise Übergepäck durch knapp 30 Hüft-Prothesen und die zugehörigen Instrumentarien zu transportieren hatten, sondern auch die Sorge, dass die Kommissionsware beschädigt oder im Zoll einbehalten wird. Dank guter administrativer Vorarbeit durch Omar vor Ort und ein Bestätigungs-/ Einladungsschreiben des Gesundheitsministeriums von Burkina Faso verlief jedoch alles glatt, und alle Endoprothesen und Materialien kamen nicht nur durch die Röntgenkontrolle, sondern auch unbeschadet in der Klinik in Leo an.
Für uns waren zwei Patientenlisten erstellt worden: eine für plastisch-rekonstruktive Fälle, hauptsächlich große Weichteil-Tumore und verbrennungskontrekturen und die andere, mit anfangs bewußt geringerer Zahl, für unseren orthopädisch-endoprothetischen Pilot-Einsatz! Wir haben dennoch am ersten Tag alle Patienten gemeinsam im Team mit der einheimischen Chirurgin und einem einheimischen Orthopäden angeschaut und die Indikationen besprochen, außerdem alle in unsere digitale Patienten-Archivierungs-Datenbank von Ninox aufgenommen. Es zeigte sich, dass die operative Röntgendiagnostik bei Hüftgelenksarthrosen nicht ausreichend genormt war, so dass sich die präoperative Größenabschätzung für Prothesen als nicht verlässlich erwies! Von circa 30 auf Kommission mitgebrachten Prothesen verschiedener Größen konnten letztendlich nur vier implantiert werden, da die Knochenmaße doch zarter ausfielen als erwartet und fast alle unserer Prothesen schlichtweg zu groß waren, so dass zahlreiche Fälle auf den nächsten Einsatz vertröstet werden mussten. Uns wurden aber gleichzeitig auch zahlreiche Traumatologie Fälle vorgestellt, so dass der noch recht neu in Betrieb genommen zweite OP Saal dennoch gut ausgelastet war . Auch hygienischerseits gab es keine Probleme oder Bedenken, da wir im großen Teamgespräch am ersten Morgen auf höhere Hygieneanforderungen im orthopädischen Saal hingewiesen hatten und dies sehr konsequent befolgt wurde. Insgesamt verlief der Einsatz ein wenig ruhiger als gewohnt. Möglicherweise der Zeitplanung geschuldet: wir waren zeitgleich mit Beginn des Fastenmonats Ramadan vor Ort angekommen und einige Mitglieder des sehr offenen und von Religions -Vielfalt und Toleranz geprägten örtlichen Teams haben streng gefastet. Letztendlich haben wir 34 teils umfangreiche Operationen an fünf OP Tagen durchgeführt. Parallel fand eine umfassende Schulung für die örtlichen Röntgenassistenten statt, um mithilfe einer von uns gespendeten genormten Metallkugel eine verlässliche Größenabschätzung der mitzubringenden Hüft-Implantate im nächsten Einsatz zu ermöglichen.
Ausblick und Fazit: Sowohl für die plastische Chirurgie als auch die Orthopädie stehen erste Fälle bereits auf den Patientenlisten und ein Folgeeinsatz in der bewährten Fächerkombination ist bereits für 2025 geplant. Unter den dortigen Bedingungen ist Endoprothetik sicher durchführbar, die Einsatzkosten erhöhen sich jedoch durch den Mehraufwand insgesamt um Zweidrittel (auf 1.000 Euro je Patient). Zudem sind Visa für Nichtregierungsorganisationen (NGO) derzeit in Burkina Faso nicht mehr kostenlos und in der Arbeitserlaubnis ist explizit vermerkt, dass sie nur Gültigkeit haben, wenn ein einheimischer Arzt aus dem Fachgebiet konsequent begleitet (was in der praktischen Umsetzung auch schon früher immer der Fall war). Weitere derartige Kombi-Einsätze sind für die Zukunft geplant und sinnvoll, da Routine die Sicherheit erhöht. Allerdings sind wir aufgrund der gestiegenen Kosten noch stärker auf Unterstützung durch Spenden angewiesen.
Dr. med. Ruth Alamuti-Ahlers