INTERPLAST-Germany e.V. Sektion Vreden

Einsatzbericht Indien 27.01.-08.02.2018, Kailash Cancer Hospital&Research Center, Muni Seva Ashram, Goraj, Waghodia, Vadodara

Teilnehmer: MUDr.Pavol Stolfa, Ass.-Arzt Plastische Chirurgie; Dr.Arnulf Lehmköster, Plastischer Chirurg und Teamleiter

Indien gehört zu den Ländern, in denen Interplast-Germany über 10 Einsätze pro Jahr durchführt. Die Sektion Vreden war noch nie in Indien im Einsatz, sodass ich die Anfrage des Kailash Cancer Centers im Bundesland Gujarat, die mir über Andreas Nünning von Little Big World e.V., Vreden, die seit langem in der dortigen Region Projekte fördert, überbracht wurde, gern annahm. Allerdings vergingen knapp zwei Jahre, bis wir einen Einsatz dorthin zeitlich umsetzen konnten.

Indien ist ein riesiges Land voller z.T. extremer Gegensätze. Mit seinen über 1,3 Millarden Menschen weist es die zweitgrößte Bevölkerung aller Länder auf, nur China hat mit 1,4 Millarden Menschen mehr. Hinsichtlich des Pro-Kopf-Einkommens (BIP pro Kopf und Jahr; Stand Juni 2017; Angaben nach Wikipedia) liegt es mit 1723 US$ auf Rang 145 von 190 Ländern (zum Vergleich: Uganda, unser nächstes Ziel im April/Mai: 638, d.h. Platz 176), kaufkraftbereinigt auf Platz 127.Aufgrund der riesig klaffenden Schere zwischen „sehr arm“ und „sehr, z.T. extrem reich“ ist die Armut eines Großteils der Bevölkerung immens, das Müllproblem sowie Zugang aller Menschen zu hygienischer Fäkalienbeseitigung nach unserem Eindruck noch ungelöst.

Interplast und LittleBigWorld-Team, Vreden

Ist es also, obwohl bekanntlich Atommacht, ein typisches Interplast-Einsatzland? Wir werden sehen!

In den ärztlichen Kollegen des Muni Seva Ashrams fanden wir geeignete Ansprechpartner, die uns bei der Beschaffung der Arbeitserlaubnis für Indien sehr unterstützten. Das gleiche galt für die Vorauswahl der Patienten, sodass wir am Montag nach unserer Ankunft alle Patienten sahen und der OP-Plan für die OP-Tage praktisch stand.

Zuerst aber stand die Besichtigung des Klinikkomplexes an. Von seiner Größe und Ausstattung waren wir sofort sehr angetan, auch stellte die Klinik uns das komplette OP-Personal zur Verfügung: einen Plastischen Chirurgen(!), Dr.Vatsal, OP-Pfleger und – Schwestern, Anästhesie-Team. Gerade letzteres hat sich bei den OPs als äußerst kompetent erwiesen, Zwischenfälle irgendwelcher Art gab es nicht.

Kailash Cancer Hospital

Warum benötigt denn eine Klinik mit einem Plastischen Chirurgen ein Interplast-Team aus Deutschland? Die Klinik ist hochspezialisiert auf die Behandlung von Krebspatienten; unsere OP-Techniken der wiederherstellenden Handchirurgie und der Chirurgie der Verbrennungskontrakturen sind dort tatsächlich unbekannt. Der noch sehr junge Plastische Chirurg Dr. Vatsal ist ein hervorragender Mikrovaskularchirurg (Naht kleinster Blutgefäße unter dem Mikroskop, wie man sie z.B. für die sog.“Freien Lappen“ benötigt), hat aber noch nicht alle Sparten der Wiederherstellungschirurgie kennengelernt. An unseren handchirurgischen Operationen zeigte sich darüberhinaus ein Orthopäde sehr interessiert.

[slideshow_deploy id=’3865′]

So führten wir in diesem – zeitlich ja noch verkürztem – Einsatz knapp 25 Operationen an 5 OP-Tagen durch, alle intensiv begleitet durch heimisches Personal. Ein Tag war ganz für Vorlesungen, die ich auf ihre Bitte abhielt – über Interplast, Verbrennungsmedizin und -chirurgie -, reserviert.

Die gegen Ende oft an mich gerichtete Frage, ob wir aus diesem Piloteinsatz ein dauerhaftes Projekt machen würden, beantwortete ich: das ist nicht in erster Linie eine theoretisch zu beantwortende Frage, sondern die Fakten werden es ergeben:

– wie wird die Nachsorge bei unseren Patienten sein?

– gibt es eine anhaltende Nachfrage seitens der Patienten nach unseren speziellen OP-Techniken? Denn beim Muni Seva Ashram handelt es sich um eine Krebsklinik, deren Patienten die indischen Kollegen hervorragend operieren und nachbehandeln. Aber kommen auch genügend andere, auf unser Gebiet zugeschnittene Patienten ins Haus?

– kurz: Veränderungen und Projekte müssen von innen heraus wachsen!

Von der Grundidee passen das Muni Seva Ashram und Interplast gut zusammen: auch sie haben sich die Versorgung gerade auch armer, nicht zahlungsfähiger Patienten auf ihre Fahne geschrieben.

So habe ich von unseren indischen Partnern beim Abschiedsessen die Zusage bekommen, dass auch andere Interplast-Teams, wenn sie spezielle Hilfe auf mikrochirurgischem Gebiet benötigen, sich ans MSA wenden können. Auch wurde meine Anregung, doch ihrerseits über die Gründung von“Interplast-Indien“ nachzudenken, lebhaft aufgenommen. Beides wären wirklich hervorragende Perspektiven: MSA hilft Interplast-Germany-Teams bei der Behandlung bedürftiger indischer Patienten mit ihren Möglichkeiten der Mikrochirurgie und wir geben Hilfestellung bei der Gründung von Interplast- Indien! Dass wir bereit sind, in ihrem Hospital Vebrennungsopfer und handchirurgische Notfälle zu operieren, ist für uns nach diesem Piloteinsatz selbstverständlich!

Ach ja: gesehen haben wir in der Kürze der Zeit viel in der näheren und etwas weiteren Umgebung! Besonders angetan haben es uns die Beispiele der Verquickung hinduistischer und islamischer Kunst sowie der uralte hinduistische Tempel, dem Sonnengott Surya geweiht, in Modhera aus dem frühen 11.Jahrhundert. Dafür gilt unser besonderer Dank!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zur gleichen Zeit wie wir waren war auch das Little-Big-World-Team aus Vreden um Andreas Nünning und Hanna Garbert dort, das eigene Projekte verfolgte; eine angenehme Kooperation!

Dr.Arnulf Lehmköster

Vreden, den 10.02.2018