Seit 2014 machen wir uns alle 2 Jahre in z.T. unterschiedlicher Teamzusammensetzung auf die lange Reise nach Südamerika, in das nördliche Flachland Boliviens, dem wasserreichen Amazonaseinzugsgebiet am Zusammenfluss des Rio Madre de Dios mit dem Rio Beni, eine Region mit tropischen Temperaturen, sehr hoher Luftfeuchtigkeit und intensiv grüner, faszinierender Vegetation.

Unterstützt von Prosalud, einem privaten gemeinnützigen bolivianischen Gesundheitsdienst mit Hauptsitz in Santa Cruz, v.a. in Person von Helga Richter und Gloria Cruz Justiano, fand der erste Einsatz als „Ableger“ der seit 2011 in Santa Cruz stattfindenden Interplasteinsätze unter einfachsten Bedingungen in einer kleinen „Anlaufklinik“ von Prosalud im abgelegenen Riberalta in Amazonien statt, bekannt wegen der Vielfacht an tropischen Früchten, des Fischreichtums und als Hauptlieferant von Paranüssen für die ganze Welt.

Nach drei Einsätzen mussten wir 2020 zunächst u.a. wegen der Corona-Pandemie, dann leider auch 2021 wegen anhaltender politischer Unruhen den Ersatztermin bei bereits vollständig geplanten Kampagnen kurzfristig absagen.  Die resultierende wirtschaftliche, ja existentielle Not der Menschen in Bolivien veranlasste auch Prosalud, seinen Außenposten in Riberalta aufzugeben, der zuvor gemeinsam mit Interplast angeschaffte und finanzierte neue Sterilisator konnte immerhin mit nach Santa Cruz genommen und dort weiter betrieben werden.

Damit stand das uns wegen der selbstlosen, organisatorischen und tatkräftigen Mitarbeit vieler Menschen vor Ort und der von Herzen kommenden Dankbarkeit der Patienten so lieb gewordene Projekt bereits vor dem Aus! Erinnert sei an dieser Stelle auch an den Bericht von Dr. Katharina Kamm  „Quo vadis Bolivia?“ im Jahresheft 2021. Allein dem Chirurgen Dr. Huascar Suarez in Riberalta ist es zu verdanken, dass der Einsatzort weiter besteht – und das auf einem deutlich höheren Niveau!

Mit unermüdlichem Einsatz hat er unter großem persönlichen Zeitaufwand trotz mehrfach wegen der instabilen politischen Situation wechselnden Ansprechpartnern die Zusage bekommen, dass wir im Hospital General der Stadt Riberalta unsere Kampagne weiterführen konnten! Ein persönlicher Besuch im Dezember 2021 – trotz damals noch geltender restriktiver Corona-Schutzmaßnahmen – begeisterte mich rasch von den lokalen Gegebenheiten und Vorteilen, so dass wir nach der gelungenen Premiere im März 2022, nun unabhängig von Prosalud, nach intensiver Vor- und Zusammenarbeit mit den einheimischen Mitstreitern, Huascar und Gloria, nach 2 Jahren wieder die lange Reise nach Riberalta antreten konnten.

Die Stadt Riberalta übernahm bei der durch Huascar organisierten, umfangreichen und mit vielen Listen sehr akkurat geführten  Patientenakquise mit umfassenden Voruntersuchungen wie Labor – im Bedarfsfall sogar mit Schilddrüsenwerten – EKG, Sonographie und auch Röntgen, wieder sämtliche Kosten für die oft völlig mittellosen Patienten.  Auch die Benutzung von 2 gut ausgestatteten OP-Räumen und einem großem, gut ausgestattetem Aufwachraum mit extra hierfür zusätzlich eingestelltem Fachpersonal, stellte uns die Stadt kostenlos zur Verfügung, ebenso eine große chirurgische Station mit gesamtem Pflegepersonal.         

 Als Chefarzt der Allgemeinchirurgie verzichtete Huascar während unserer Einsätze auf eigene Operationen und half uns persönlich mit seinem gesamtem Ärzteteam und OP-Personal bei unseren Eingriffen, ebenso bei der Aufbereitung und Sterilisation unserer mitgebrachten Instrumente. Auch auf anästhesiologischer Seite bekamen wir sehr gute Unterstützung von 2 Ärzten, die sich speziell für diesen Zeitraum frei genommen hatten. Die für die Klinik erforderliche, ausführlichste Dokumentation wurde von Huascar und seinem Team nahezu komplett übernommen!

Weiterhin wurden wir wieder durch zahlreiche, inzwischen vertrauten Menschen auch von außerhalb der Klinik unterstützt, die ihre Freizeit dafür einsetzten, sei es als Dolmetscher bei der Vorauswahl der Patienten, Visite und Nachbehandlung der Patienten, sei es bei der leiblichen Versorgung im Aufenthaltsraum des OP sogar mit hier extra für uns organisiertem, immer gut gefülltem Kühlschrank!

Auf dem Gebiet der MKG-Chirurgie, der Hand- und plastischen Chirurgie sowie der Allgemeinchirurgie konnten wir so in vortrefflicher Zusammenarbeit an nur zehn OP-Tagen 140 Operationen bei 126 Patienten durchführen, allein 68 Eingriffe bei Kindern, davon 42 Kinder unter 10 Jahren. Bei vielen Operationen instrumentierten nach kurzer Anleitung die einheimischen OP-Schwestern selbständig, die einheimischen Assistenzärzte konnten eigeneständige Operationen unter Aufsicht durchführen,      Dr. Huascar selbst assistierte sämtliche Struma-Operationen, ideal für Aus- und Weiterbildung. Möglich war dies durch die optimale Zusammensetzung unseres Teams mit vielfältiger fachlicher, sprachlicher und menschlicher Expertise, durch die hohe Einsatzbereitschaft und Empathie, die schnell Vertrauen bei den Patienten und dem Klinikpersonal schuf.

Dadurch ergab sich auch rasch eine gute Zusammenarbeit mit Dr. Ronald, dem Leiter der Unfallchirurgischen Abteilung der Klinik, die bei zahllosen Unfällen  v.a. durch die hohe Zahl von Motos mit bis zu 5 ungeschützten Mitfahrern ohne Helm, dafür mit umso mehr Transportgütern, immer gut gefüllt war. So konnten schwere Verletzungen mit Weichteildefekten, freiliegenden Sehnen an der Hand und Knochen am Unterschenkel mit Fixateur extern und gestielten Lappen gemeinsam erfolgreich versorgt werden.

Erfreulicherweise hatten wir bei den vielen, zum Teil recht großen und verschiedenen Operationen nur wenig Komplikationen mit lediglich 2 erforderlichen operativen Revisionen und dann unkompliziertem Verlauf. Einmal kam es nach der Erstoperation zu einer Transplantatnekrose am Fußrücken hin zum Sprunggelenk mit anschließend erforderlichem Debridement und neuer Hauttransplantation, das andere Mal trat eine Wunddehiszenz im Bereich der Lippe nach Keilresektion eines Tumors auf, die mit einer Lappenplastik zur Abheilung kam. Sämtliche Patienten konnten durch uns während unseres Einsatzes bei Bedarf zur Kontrolle wieder einbestellt werden, insbesondere sorgten aber Huascar und Ronald mit ihrem Team auch nach unserer Abreise für die weitere fachgerechte Nachbehandlung der Patienten bis zur definitiven Heilung – wie könnte es besser sein!

Dr. Huascar Suarez war aber nicht nur in der Klinik omnipräsent, mit seiner Ehefrau, der Gynäkologin und Geburtshelferin Dr. Maria Dolores Suarez Aguirre war er auch sonst Tag und Nacht für uns da: Transporte mit ihren Autos, morgens zur Klinik, abends zurück zur Unterkunft, gelegentlich auch zu einem besonderen abendlichen Essen, mehrere Fahrten vom/zum kleinen Flughafen, Beschaffer von Flugtickets für die Inlandsflüge, abendliche Begleiter zum Essen, dazu Organisation eines privaten Ausfluges an unserem freien Tag .

„Pflichttermine“ waren die Ehrungen in der Klinik durch den Direktor mit Urkunden und zahlreichen Stempeln, v.a. die Einladung durch den Bürgermeister und Senat der Stadt Riberalta mit vielen Reden und noch bunteren Ehrenbürgerurkunden, großer Dankbarkeit für den Einsatz für die Menschen in Riberalta, verbunden mit der Hoffnung und Einladung für weitere Einsätze.

Ein großes Abschiedsfest mit Einladung aller helfenden Menschen rundete den gelungenen Einsatz in Riberalta ab, für jedes Teammitglied ein mit dem Logo der Klinik bestickter Kittel, individuelle Glücksbringer, Torten, Freundschaften wurden auch außerhalb der Klinik neu geschlossen und vertieft, unzählige Fotos in immer wieder unterschiedlichen Konstellationen aufgenommen, Kontakte ausgetauscht.

Fast vergessen sind damit alle hier nur nebenbei erwähnten Reiseschwierigkeiten zunächst bei der Hinreise (2,5 Tage!) mit Bahnstreik, als Ersatz Mietautos, fehlenden Anschlussflügen in Bolivien in das Amazonasgebiet. Wir machten aus der Not eine Tugend und nutzten den „Wartetag“ in Santa Cruz zum Besuch guter, aus Deutschland stammender, auch in Riberalta helfender Freunde, Sonja und Ebbe. Sonja begleitete uns unterstützend ja dann auch wieder einige Tage nach Riberalta.

Die Rückreise erforderte allerdings noch mehr Durchhaltevermögen bei massivem Tropenregen am geplanten Abreisetag mit Überflutungen und resultierenden Flugausfällen aus dem Amazonasgebiet, durch eine sich zufällig anschließende 24-stündige Ausgangssperre bei einem bolivianischen Zensus, wegen einer trotz aller Anstrengungen nicht möglichen Umbuchung der Rückflüge von Santa Cruz nach Europa bei Air Europa mit letztendlich erforderlichen neuen Rückflugtickets erst 2 Tage später mit hohen Zusatzkosten, Rückreisezeit volle 4 Tage!

Umso herzlicheren Dank sagen wir Andre Borsche und Camilla Völpel, die uns über die Sektion Bad Kreuznach diesen besonderen Einsatz ermöglichten, stellvertretend für all die glücklichen Patienten und Menschen in Riberalta, denen wir ein wenig helfen durften!

Im Namen des ganzen Teams
Hubert Sax

Teammitglieder:
Hubert Sax (Chirurg, Teamleiter)
Yekta Gören (Plastischer Chirurg)
Hans-Christian Jacobsen
Daniel Trübger (MKG-Chirurgen)
Lennart Muras (Anästhesist)
Gordon Ring (Anästhesist)
Julia Wehner (Ass.-Ärztin Anästhesie)
Heike Fechtner (OP Schwester)
Cristina Arias Galeano (OP Schwester)