Bericht über meinen Einsatz am SKMH (Sektion Nepal) im März 2024
Dr. Christiane Bär-Benzing
Seit 2011 bin ich 1 – 2 Mal pro Jahr als Anästhesistin am SKMH tätig – nun zum 17. Mal.
Deshalb sind mir die örtlichen Gegebenheiten, die Entwicklung des Hospitals, die Bedingungen vor Ort und auch die nepalesische Kultur inzwischen sehr vertraut. Ebenso habe ich im Lauf der Jahre nepalesische Freund-innen gewonnen.
Das Sushma Koirala Memorial Hospital ist nach wie vor ein Vorzeigeprojekt bezüglich Hilfe zur Selbsthilfe.
Man kann bei jedem Aufenthalt Fortschritte feststellen.
Anfänglich reisten Interplast-Mitglieder aus allen medizinischen Bereichen wie auch Techniker und Ingenieure mit Instrumenten, Werkzeug, Wissen und Erfahrung nach Nepal, um das Hospital aufzubauen und die nepalesischen Kollegen auszubilden und zu unterstützen. Inzwischen wird das Hospital in allen Bereichen durch einheimische Mitarbeiter betrieben, einige möchte ich erwähnen:
Dr. Santosh Bandhari ist als plastischer Chirurg der Ärztliche Direktor des Hospitals und wird von seiner Vertreterin Dr. Rojina Shilpakar unterstützt, die sich durch ihre Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Organisation „ Interburns“ einen internationalen Ruf bezüglich der Behandlung und von Verbrennungen erworben hat.
Dr. Manohar Yadav ist vorwiegend in der Spaltchirurgie tätig, er genoss eine hervorragende Ausbildung durch Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen von Interplast, sodass er nun selbstständig mit guten Ergebnissen operiert.
Dr. Prakash Khalika, der Anästhesist des Hospitals, erhielt seine Facharztausbildung in China – finanziert durch Interplast. Er ist nun seit 5 Jahren am Hospital mit hoher fachlicher Qualifikation tätig.
Das Hospital bildet Medizinalassistenten aus, die die tägliche Routinetätigkeit verrichten. Das Hospital wird zudem getragen durch alle einheimischen Mitarbeiter-innen im Bereich Pflege, OP- Assistenz, Physiotherapie, Verwaltung, Fuhrpark, Technik und nicht zuletzt durch das Reinigungspersonal.
Eine Zahnstation wird von der Stiftung „Zahnärzte ohne Grenzen“ unterstützt. Belegärzte sind in anderen Fachrichtungen tätig (Unfallchirurgie, Allgemeinchirurgie, Innere Medizin, HNO, Gynäkologie, Urologie).
Dank der großzügigen Spende des Rotary Clubs Lyon Nord und der japanischen Botschaft entspricht die apparative Ausstattung im OP und auf der neu eingerichteten Intensivstation mit Monitoren, Beatmungsgeräten, Medikamentenpumpen und neuen Betten modernen Standards und dient vor allem der Patientensicherheit.
Der medizinische Standard die nepalesischen Kollegen ist in allen Bereichen hoch. Auch schwerkranke Patienten-innen, schwere Verbrennungen, Notfälle können fachgerecht auf der Intensivstation behandelt werden. Trotzdem lernen die Kollegen gerne von den internationalen Gästen.
Während meines Aufenthaltes musste ich gemeinsam mit meinem Mann Albert Benzing, der als Deputy Country Director und zukünftiger Nachfolger von Hein Stahl mit vor Ort war und auch Anästhesist ist, 2x eine notfallmässige Intubation und eine Reanimation durchführen.
Unsere Aufgabe von seitens Interplast sehe ich in der Unterstützung in medizinischen Spezialgebieten und weiterer Ausbildung. Bei diesem Einsatz arbeitete ich 2 Wochen mit Michael Bergermann zusammen, einem erfahrenen und bei Interplast international eingesetztem Kieferchirurgen, der wegen seiner großen Erfahrung in der Spaltchirurgie und Folgeoperationen ans Hospital eingeladen war. Alle Eingriffe führte er zusammen mit Dr. Manohar durch bzw. beriet ihn bei seiner Tätigkeit.
Es wurden 2 primäre Gaumenspaltenverschlüsse, 1 Doppellippenspalten- Verschluss bei Babys von 4 Monaten bzw. Kleinkindern bis 2 Jahren durchgeführt.
Ansonsten wurden operiert: 4 Restspalten Verschlüsse und 3 Alveolarplastiken,1 Velopharyngoplastik und 1 Le Fort Osteotomie als Folgeoperationen nach Spaltverschluss.
Ein 11 – jähriger Junge erhielt nach Säureverletzung im Gesicht eine freie Lappenplastik und in der Folge noch eine Narbenkorrektur im Gesicht. Ihm war in der Schule bei einer Auseinandersetzung Säure ins Gesicht geschleudert worden. Große Narben im Gesicht verhinderten jegliche Mimik und auch die Mundöffnung war eingeschränkt, was Sprache und Essensaufnahme beeinträchtigte. Einige Tage nach den Operationen sah man wieder ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht.
Eine 23 – jährige Patientin, die durch Entfernung eine großen Hämangioms im Lippen-Nasenbereich vollkommen entstellt war, erhielt eine nasolabiale Lappenplastik zur Deckung des großen Defektes. Sie trug vor der Operation immer eine Gesichtsmaske, um den großen Defekt zu verstecken. Sie war dankbar und überglücklich über das Ergebnis ihrer Operation und blickt nun noch mit Hoffnung einem weiteren Eingriff an der Nase entgegen. Alle Eingriffe wurden in Intubationsnarkose, zum Teil mit nasotrachealer Intubation durchgeführt.
Mein Part in der Anästhesie bei diesem Einsatz war die Ausbildung des einheimischen Anästhesisten in der Kinderanästhesie. Diese erfordert eine besondere Qualifikation. Außerdem unterstützte ich den einheimischen Kollegen bei anderen anästhesiologischen Herausforderungen wie z.B. schwierige Intubation oder die Handhabung von Videolaryngskopie. Ebenso bildete ich einen einheimischen Medical Officer in anästhesiologischen Grundlagen und Tätigkeiten aus, da er sich auf das nepalesische Examen zur Anerkennung einer Facharztausbildung und -tätigkeit vorbereiten möchte.
Nach der Abreise von Michael Bergermann unterstützte ich meine Kollegen weiter im täglichen OP – Programm bei der Durchführung von Narkosen in der Plastischen Chirurgie (Debridements, Lappenplastiken bei Dekubitus, unfallchirurgischen Eingriffen, Leistenhernienoperationen und gynäkologischen Eingriffen). Hier wurde das gesamte Spektrum der Anästhesieverfahren angewendet wie die Ultraschall – gesteuerte Regionalanästhesie, Spinalanästhesien, intravenöse Narkosen und Monitored Anesthesia Care.
Bei meinen Einsätzen erlebe ich Schicksale, die ich in Deutschland nur selten oder gar nicht zu sehen bekomme und die mich immer noch sehr bewegen. Besonders berühren mich die vielen Kinder mit Verbrühungen und Verbrennungen. Meist geschehen diese Unfälle in armen sozial schwachen Familien, die zum Teil noch mit offenem Feuer heizen und Kerosinkocher benutzen.
Oft sind die Kinder unbeaufsichtigt, da die Eltern Feld- oder Hausarbeit leisten müssen.
Ich erlebte 2 Patienten nach Suizidversuchen mit Pflanzenschutzmitteln (Alkylphosphaten); in Nepal ist dies eine häufige Art sich zu suizidieren. Oft sind Armut und Verzweiflung über die eigene soziale Situation Gründe dafür. Leider verloren wir beide Patienten trotz intensivmedizinischer Behandlung.
Dr. André Borsche war während meines Aufenthaltes 7 Tage vor allem wegen Gesprächen über die weitere Zukunftsgestaltung am Hospital. Er führte auch Operationen wie eine Gluteal-Lappenplastik und Narbenkorrekturen durch.
Die Atmosphäre am SKMH war wie immer harmonisch und sehr freundschaftlich.
Als Gäste werden wir jedes Mal als Teil der Familie betrachtet und angenommen. Das macht alle Herausforderungen leichter.
Für das engagierte Hospitalteam stehen Empathie und Hingabe für Patienten und ihre Angehörigen, die oft Monate am Hospital verbringen müssen im Vordergrund. Über der schönen Anlage des Hospitals herrscht immer eine friedliche Atmosphäre.